Freitag, 29. August 2008
Boomtown
Es tut sich viel in dieser Stadt, in der es seit mehr als zwanzig Jahren anscheinend immer nur eine Richtung geben kann: Nach oben, dorthin wo die Kohle sitzt, wo der Reibach lauert. Aber in letzter Zeit scheinen sie hier durchzudrehen, hier, wo man es schon als großartigen demokratischen Fortschritt feiert, wenn ein lokaler Tycoon seinen Lebensabend als volksnaher Gaudi-Bürgermeister und Grüß-Onkel verbringen darf, nur, weil er nicht von der CSU, sondern vom Netzwerk der alteingesessenen Geschäftsleute, den sog. "freien" Wählern und ihren Wählern in dieses Amt gehievt wurde.

Das Einkaufszentrum, das den irreführenden Namen West-Park trägt, soll erweitert werden. Das ist folgerichtig und erfüllt sicherlich seinen Zweck. Das ist Shopping, wie es dem Ingolstädter gefällt. Da mögen die Innenstadt-Fachgeschäft-Sozialromantiker noch so aufheulen. Und das prächtige Gebäude baut sicherlich auch wieder das Architekturbüro X, immer die erste Adresse, nein, nicht, wenn es um die künstlerische Qualität des Entwurfs geht, sondern wenn es auf die Durchsetzbarkeit dank - ähem - sagen wir mal guter Kontakte - ankommt!
Ingobräu gibts nicht mehr und wird jetzt bei Herrnbräu gebraut! Nicht, dass mich das mit übermäßiger Trauer erfüllen würde, wurde das Unternehmen doch klassisch an die Wand gefahren, und das im 501. Jahr des Bestehens. Dass der ganze Saftladen nicht schon längst bankrott gegangen ist, verdankt man dem Betriebsgelände in der Altstadt, das an einen obskuren "Investor" aus München verscherbelt wurde, der das Ganze - trotz Denkmalschutz - plattmachen will und, na, was schon?, natürlich ein Einkaufszentrum dort bauen will. Bestimmt mit großer Tiefgarage, Boutiquen-Ketten, Dönerbuden, Cafés, Resterampen und viel billigem chinesischen Granit am Boden. Der übliche Scheißdreck wie überall sonst auch.

Die Raffinerie wird dichtgemacht, an ihre Stelle kommt die Audi-Arena als wahrgewordener feuchter Traum des Präsidenten des Fußballclubs 04 (steht für 2004, ein Traditionsclub, wie man sieht!) in den ehemaligen Auwald, gleich neben die Media-Saturn-Hauptverwaltung!
Und damit sich Audi auch so richtig wohlfühlt, wird im Nordwesten auch der letzte Rest von dem, was einmal der zweite Grünring, der schamhafte Abstandshalter zu Gaimersheim war, mit GVZ, Gewerbegebieten und Straßen zubetoniert.

Die ganze Region ist, nach den Maßstäben der maßgeblichen Kreise, erfolgreich, ja sogar musterhaft für das ganze Land. Premium-PKW, Elektro-Discounter, factory outlet und Zeitarbeit. Auf dieser Basis hat man hier Erfolg, einen Erfolg der die Mächtigen stolz macht und ihnen versichert, sie haben alles richtig gemacht. Es ist kein Klima, in dem Zweifel und Selbstkritik gut gedeihen. Und es ist hier kein Platz für die barocke Erkenntnis, dass alles "eitel" ist!


Oder, weniger pathetisch formuliert, für die Einsicht, dass sich Standortfaktoren ändern können!

In spätestens zwanzig Jahren, wenn von Ingolstadt aus die schlankgeschrumpfte und outgesourcte Produktion in China und Weißrussland gesteuert wird, stehen die Hallen dann sinnlos in der Gegend, Abenteuerspielplatz für die Bewohner der nahegelegenen Slums, während die Entscheider von damals in ihren Anwesen im schicken und umzäunten Westen der Stadt sitzen und ihre üppigen Abfindungen verprassen!

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Sonntag, 25. Mai 2008
Epitaph
In der Nacht vom 4. auf den 5. Juni 2008 endet eine Epoche. Da schließt nämlich Ingolstadts schönste und seit mehr 25 Jahren nahezu unveränderte Kneipe, die "Neue Welt". Hier gibt es alles, was ich von einem solchen Lokal erwarte. Gute Weine, exzellentes Essen, neuerdings auch wieder gutes Bier (Hofmühl) und gewachsene Tradition jenseits von spießiger "Gemütlichkeit". Es gibt dort all das nicht, was ich nicht brauche: Hippe Innenarchitekten-Ödnis, pappige sündteure Cocktails, Pommes mit Ketchup, Dröhnbeschallung. Kurzum eine definitiv arschlochfreie deppenfreie Zone.

Hier ein virtueller Besuch in zwölf Bildern:












Bekannter ist die "Neue Welt" als Kleinkunstbühne. Große Namen in kleinem Rahmen.

Wiederauferstehung nach hoffentlich behutsamer Renovierung im Oktober 2008.

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Donnerstag, 22. Mai 2008
Baukunst in Ingolstadt
Über die Schönheit unseres Rathausplatzes ist von berufenerem Munde als dem meinen schon viel gesagt worden und ich will dem auch gar nichts hinzufügen. Hier nur eine Ansicht unser Stadtsparkasse, an der Stelle, wo einst das Stadttheater den Platz nach Süden hin abschloss.



Anscheinend scheint dieser Prachtbau stilbildend gewirkt zu haben, denn eine Bautafel neben der "Saturn-Arena" verheißt uns dieses herrliche Gebäude,



das geplant wurde im Auftrag von Leuten, die natürlich wissen wie man "Business" buchstabiert, aber nicht, wie man den korrekten Plural von "Büro" bildet. Ein Hotel soll auch entstehen, mit dem schönen Namen "Werbung". So ist es zumindest auf dem Gemälde zu lesen:



Das alles soll den Reisenden, wenn er die A9 verlassen hat und auf die Stadt zufährt, in Ingolstadt begrüßen. Das ist in der Tat eine typische Begrüßung in unserer Boomtown. Aber was kann man schon anderes erwarten in einer Stadt, in der der "Westpark" ein Einkaufszentrum ist, nicht etwa ein unproduktiver Grünzug mit Baumbestand!

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