Freitag, 9. September 2011
Stilfser Joch: Come scoglio
moralist, 02:40h
Nein, es gibt natürlich keinen vernünftigen Grund, etwas derartiges zu tun.
Sich selbst etwas beweisen zu wollen, ist nicht vernünftig, sondern albern. Und deutet auf Defizite hin.
Aber lassen wir das.
Eigentlich lag es am Wetter. Hätte es geregnet, bei einstelligen Temperaturen, wäre ich sicherlich nicht ins Vinschgau gefahren. Da dieser Tag aber so herrlich zu werden versprach, wie er dann auch war, stand ich um 4.50 Uhr auf, fuhr nach Süden, kaufte mein Pickerl um möglichst schnell durch Österreich zu kommen, passierte im weichen Morgenlicht den Reschenpass
und packte vor Lichtenberg auf einem Parkplatz mein Rad aus.
Und dann ging es 25 km bergauf.
Das ist sehr weit! Und anstrengend!
Glücklicherweise habe ich meinen Fotoapparat dabei, im Rucksack, versteht sich, und deshalb habe ich die Möglichkeit jede Schwäche als Vorwand für eine Fotopause zu nutzen. Es gibt viele Fotopausen...
Dreieinhalb Stunden nachdem ich losgefahren bin, habe ich noch zehn der 48 Serpentinen vor mir, aber meine letzte Banane ist schon seit einer Stunde verspeist. Zum Glück gibt es an einer Verpfegungsstation Äpfel (was sonst im Vinschgau) und kalten Fruchtpunsch mit Würfelzucker!
Irgendwann bin ich dann oben, ohne das richtig zu begreifen, aber der dort oben herrschende Auflauf veranlast mich sehr schnell wieder aufzubrechen. Es gibt da Menschen die mit Kind oder Hund (im Anhänger) heraufgefahren sind, Einradfahrer, Einbeinige und Irre mit eingegipstem Arm! Erschöpfte, aufgedrehte und glückliche Wahnsinnige.
Schnell weg!
Bergab geht's über den Umbrail in einen entlegenen, aber herrlichen Zipfel der Schweiz, das Münstertal.
Ich kann nicht durch Müstair fahren, ohne wenigstens kurz im Kloster und der Kirche vorbeizuschauen. Alle anderen Lycra-tragenden Rennradler können das, natürlich, aber die haben bestimmt auch Pulsmesser, vergleichen ihre Durchschnittsgeschwindigkeiten und schmeißen die leeren Energiegeltuben auf die Straße.
Um halb drei bin ich dann wieder bei meinem Auto und überlege mir, was ich mit dem Tag noch anfangen könnte. Ich fahre Richtung Osten, besuche Teile der Familie, die auf einem Bauernhof über dem Eisacktal urlauben. Im Handschuhfach lag zufällig die Così fan tutte-CD (Gardiner), die ich während der folgenden drei Stunden anhörte und die für mich jetzt ewig mit dem Vinschgau, schmerzenden Knien und und König Ortler verbunden sein wird.
Sich selbst etwas beweisen zu wollen, ist nicht vernünftig, sondern albern. Und deutet auf Defizite hin.
Aber lassen wir das.
Eigentlich lag es am Wetter. Hätte es geregnet, bei einstelligen Temperaturen, wäre ich sicherlich nicht ins Vinschgau gefahren. Da dieser Tag aber so herrlich zu werden versprach, wie er dann auch war, stand ich um 4.50 Uhr auf, fuhr nach Süden, kaufte mein Pickerl um möglichst schnell durch Österreich zu kommen, passierte im weichen Morgenlicht den Reschenpass
und packte vor Lichtenberg auf einem Parkplatz mein Rad aus.
Und dann ging es 25 km bergauf.
Das ist sehr weit! Und anstrengend!
Glücklicherweise habe ich meinen Fotoapparat dabei, im Rucksack, versteht sich, und deshalb habe ich die Möglichkeit jede Schwäche als Vorwand für eine Fotopause zu nutzen. Es gibt viele Fotopausen...
Dreieinhalb Stunden nachdem ich losgefahren bin, habe ich noch zehn der 48 Serpentinen vor mir, aber meine letzte Banane ist schon seit einer Stunde verspeist. Zum Glück gibt es an einer Verpfegungsstation Äpfel (was sonst im Vinschgau) und kalten Fruchtpunsch mit Würfelzucker!
Irgendwann bin ich dann oben, ohne das richtig zu begreifen, aber der dort oben herrschende Auflauf veranlast mich sehr schnell wieder aufzubrechen. Es gibt da Menschen die mit Kind oder Hund (im Anhänger) heraufgefahren sind, Einradfahrer, Einbeinige und Irre mit eingegipstem Arm! Erschöpfte, aufgedrehte und glückliche Wahnsinnige.
Schnell weg!
Bergab geht's über den Umbrail in einen entlegenen, aber herrlichen Zipfel der Schweiz, das Münstertal.
Ich kann nicht durch Müstair fahren, ohne wenigstens kurz im Kloster und der Kirche vorbeizuschauen. Alle anderen Lycra-tragenden Rennradler können das, natürlich, aber die haben bestimmt auch Pulsmesser, vergleichen ihre Durchschnittsgeschwindigkeiten und schmeißen die leeren Energiegeltuben auf die Straße.
Um halb drei bin ich dann wieder bei meinem Auto und überlege mir, was ich mit dem Tag noch anfangen könnte. Ich fahre Richtung Osten, besuche Teile der Familie, die auf einem Bauernhof über dem Eisacktal urlauben. Im Handschuhfach lag zufällig die Così fan tutte-CD (Gardiner), die ich während der folgenden drei Stunden anhörte und die für mich jetzt ewig mit dem Vinschgau, schmerzenden Knien und und König Ortler verbunden sein wird.
... link (0 Kommentare) ... comment
Dienstag, 23. August 2011
Ins Karwendel - Alpensinfonie in zehn Sätzen für zwei Räder
moralist, 13:58h
Jetzt, da endlich der Sommer angebrochen ist, kann ich das tun, wovon ich in den anderen Monaten dann zehren kann, wenn Wetter und Erwerbsarbeit das unmöglich machen. Radfahren, und zwar ordentlich! Dreistellige Kilometerzahlen. Ich erfülle jedes Jahr ein nie geleistetes Gelübde, einmal im Jahr meine, meine ganz eigene Radtour zu fahren. Warum, weiß ich auch nicht.
I Präludium
Dieses Mal, weil ich ein Bergradl in sein angestammtes Habitat zu überführen hatte, erfolgte die Anreise mit dem Rad (Ich kam an der Donau erst um 13.00 Uhr los, daher die letzten 30 km, wegen der einbrechenden Dunkelheit mit der DB, aber das ist ein eigenes, noch zu schreibendes Kapitel), durch die Hopfengärten der Hallertau, durch die immer noch nicht ganz durch Industrie und Fluglärm zerstörte nördliche Schotterebene, durch die Isarauen und den Englischen Garten, durch das Millionendorf und den Forstenrieder Park, vorbei an den unvermeidlichen Golfplätzen an den Stranberger See. Der war an diesem Abend - ich kann es nicht anders sagen und gestehe damit meine Beschreibungsimpotenz ein - unbeschreiblich schön.
Kein Wunder, dass da alle, die es sich leisten können und wollen, hinziehen. Der Bahnhof in Tutzing zeigt dagegen, dass die Wichtigen dort nie mit der Bahn fahren.
Nachts dann Ankunft im Basislager am Kochelsee.
Ich weiß, dass es für meine üblicherweise recht bescheidenen Verhältnisse Luxus ist, aber ich genieße ihn: zwei Räder in einer kleinen Abstellkammer, und ein Bett in einem Dachkammerl einer Wohnung am Alpenrand, eine Dusche, ein Kühlschrank, ein Herd. Ein Ort, an dem es alles gibt was ich brauche, sogar ein Fahrradgeschäft und einen der besten Käseläden, die ich kenne.
II Allegro aperto
Nach kurzem Einrollen geht es mit der Kesselbergstraße los, die so etwas ähnliches wie eine Alpenpassstraße ist.
Ich bringe sie üblicherweise so schnell wie möglich hinter mich, nicht aus sportlichem Ehrgeiz, sondern wegen der Motorräder, Lkw, Wohnmobile und anderer stinkender Bleche. Die Straße schraubt sich mit mäßigen 5-6% Steigung bis auf bescheidene 859m, dann gehts noch ein paar Kurven runter an den Walchensee, vorbei an einer Goethe-Büste, denn der hatte hier in der Gegend auf dem Weg nach Italien 1786 seine Begegnung mit dem Harfenmädchen.
III Adagio
In Urfeld dann scharf links auf die Uferstraße nach Sachenbach und hinein in eine andere Welt: autofrei, Blick über den See, diesen wunderbaren See, nach Süden zum Karwendel.
IV Rondo: tempo giusto
Hinter Sachenbach durch den Wald, schmale schlechte Straße, zur Zeit auch gesperrt für die automobilen Anlieger und eigentlich auch alle anderen Fahrzeuge, eigentlich...
Dann eine kurze scharfe Abfahrt und einbiegen auf die Mautstraße von Niedernach in die Jachenau.
V Pastorale
Dann durch die Jachenau, Schauplatz meiner schönsten und frühesten Kindheitserinnerungen und dann sanft bergab Richtung Isar, vor Lenggries auf den Radweg an der B13 der weitgehend schmerzfrei, schattig und auf den letzten fünf Kilometern sogar abseits der Straße hoch zur Staumauer des Sylvensteinsees führt.
Weiter geht es an der Isar oder dem was nach der Abzapfung von Isar- und Rißbachwasser für das Walchenseekraftwerk davon übrig gebieben ist, entlang bis nach Vorderriß.
VI Maestoso
Dann hinein ins Vergnügen und über Hinterriß ins Engtal, wieder mit viel zu vielen Autos und Motorrädern. Aber die Landschaft! Grandios und Majestätisch. Hier beschließe ich dann immer, demnächst mit den Bergschuhen anzureisen und einen der Karwendelgipfel zu besteigen, und jedes Jahr wieder... - aber lassen wir das.
Irgenwann stellt man dann fest, dass man in Österreich ist, der Asphalt ist besser und die Straßenschilder sehen anders aus. Es geht noch 20 km bergauf und dann ist der Große Ahornboden erreicht.
Schaut brettleben aus, ist aber eine fiese kleine Steigung.
VII Lento ma non troppo
Wenn man sich dann denkt, dass es jetzt eigentlich reicht, ist man an einem riesigen Parkplatz bei einem hässlichen Hotel (aber die Landschaft!) angekommen, mit einer Kas-Alm, wo es wenig überraschend Käse und stinkende Tirolernahrung (Kaminwurzen, Speckch) gibt, außerdem alkoholfreies Weißbier aus Erding und Bauernbrot zur Auffüllung der Kohlenhydrat-Speicher, das Ganze verkauft von einem Muster von Tiroler, Heinrich Heine hätte ihn nicht besser erfinden können.
VIII Vivace
Gut dass es bei der Rückfahrt zunächst 20km weitgehend bergab geht. Zurück in Vorderriß über den Isar-Rest auf die Mautstraße am Fluss entlang nach Wallgau.
Die Straße schaukelt munter auf und ab und kommt irgendwann an einen Ort, wo man es für eine gute Idee gehalten hat, schottische Heidelandschaft nachzubauen um darauf finanziell potenten Menschen die Möglichkeit zu geben, mit Eisenschlägern kleine Bälle in Löcher zu schubsen. Dann rechts abbiegen, B11, Radweg (der irgendwann aus ungeklärter Ursache plötzlich aufhört und dann plötzlich wieder da ist), in Einsiedel wieder der Walchensee, aber nur ganz kurz, denn die Straße führt jetzt ieder über einen Berg, dann durch Walchensee, an der Filmkulisse eines Wikingerdorfes entlang wieder nach Urfeld, drei Serpentinen hoch zur Passhöhe des Kesselberges und dann:
IX Prestissimo assai
fröhliches Schräglagenfahren mit sichtlich genervten Motorradfahrern, die wegen des permanenten Gegenverkehrs die Kombifahrer nicht überholen können und denen auch noch dieser übergewichtige Rennradfahrer am Auspuffrohr klebt.
X Largo
Am Kochelsee wirds wieder flach, dann im Ort nach dem Marc-Museum noch eine Steigung und das wars dann.
Bis nächstes Jahr
I Präludium
Dieses Mal, weil ich ein Bergradl in sein angestammtes Habitat zu überführen hatte, erfolgte die Anreise mit dem Rad (Ich kam an der Donau erst um 13.00 Uhr los, daher die letzten 30 km, wegen der einbrechenden Dunkelheit mit der DB, aber das ist ein eigenes, noch zu schreibendes Kapitel), durch die Hopfengärten der Hallertau, durch die immer noch nicht ganz durch Industrie und Fluglärm zerstörte nördliche Schotterebene, durch die Isarauen und den Englischen Garten, durch das Millionendorf und den Forstenrieder Park, vorbei an den unvermeidlichen Golfplätzen an den Stranberger See. Der war an diesem Abend - ich kann es nicht anders sagen und gestehe damit meine Beschreibungsimpotenz ein - unbeschreiblich schön.
Kein Wunder, dass da alle, die es sich leisten können und wollen, hinziehen. Der Bahnhof in Tutzing zeigt dagegen, dass die Wichtigen dort nie mit der Bahn fahren.
Nachts dann Ankunft im Basislager am Kochelsee.
Ich weiß, dass es für meine üblicherweise recht bescheidenen Verhältnisse Luxus ist, aber ich genieße ihn: zwei Räder in einer kleinen Abstellkammer, und ein Bett in einem Dachkammerl einer Wohnung am Alpenrand, eine Dusche, ein Kühlschrank, ein Herd. Ein Ort, an dem es alles gibt was ich brauche, sogar ein Fahrradgeschäft und einen der besten Käseläden, die ich kenne.
II Allegro aperto
Nach kurzem Einrollen geht es mit der Kesselbergstraße los, die so etwas ähnliches wie eine Alpenpassstraße ist.
Ich bringe sie üblicherweise so schnell wie möglich hinter mich, nicht aus sportlichem Ehrgeiz, sondern wegen der Motorräder, Lkw, Wohnmobile und anderer stinkender Bleche. Die Straße schraubt sich mit mäßigen 5-6% Steigung bis auf bescheidene 859m, dann gehts noch ein paar Kurven runter an den Walchensee, vorbei an einer Goethe-Büste, denn der hatte hier in der Gegend auf dem Weg nach Italien 1786 seine Begegnung mit dem Harfenmädchen.
III Adagio
In Urfeld dann scharf links auf die Uferstraße nach Sachenbach und hinein in eine andere Welt: autofrei, Blick über den See, diesen wunderbaren See, nach Süden zum Karwendel.
IV Rondo: tempo giusto
Hinter Sachenbach durch den Wald, schmale schlechte Straße, zur Zeit auch gesperrt für die automobilen Anlieger und eigentlich auch alle anderen Fahrzeuge, eigentlich...
Dann eine kurze scharfe Abfahrt und einbiegen auf die Mautstraße von Niedernach in die Jachenau.
V Pastorale
Dann durch die Jachenau, Schauplatz meiner schönsten und frühesten Kindheitserinnerungen und dann sanft bergab Richtung Isar, vor Lenggries auf den Radweg an der B13 der weitgehend schmerzfrei, schattig und auf den letzten fünf Kilometern sogar abseits der Straße hoch zur Staumauer des Sylvensteinsees führt.
Weiter geht es an der Isar oder dem was nach der Abzapfung von Isar- und Rißbachwasser für das Walchenseekraftwerk davon übrig gebieben ist, entlang bis nach Vorderriß.
VI Maestoso
Dann hinein ins Vergnügen und über Hinterriß ins Engtal, wieder mit viel zu vielen Autos und Motorrädern. Aber die Landschaft! Grandios und Majestätisch. Hier beschließe ich dann immer, demnächst mit den Bergschuhen anzureisen und einen der Karwendelgipfel zu besteigen, und jedes Jahr wieder... - aber lassen wir das.
Irgenwann stellt man dann fest, dass man in Österreich ist, der Asphalt ist besser und die Straßenschilder sehen anders aus. Es geht noch 20 km bergauf und dann ist der Große Ahornboden erreicht.
Schaut brettleben aus, ist aber eine fiese kleine Steigung.
VII Lento ma non troppo
Wenn man sich dann denkt, dass es jetzt eigentlich reicht, ist man an einem riesigen Parkplatz bei einem hässlichen Hotel (aber die Landschaft!) angekommen, mit einer Kas-Alm, wo es wenig überraschend Käse und stinkende Tirolernahrung (Kaminwurzen, Speckch) gibt, außerdem alkoholfreies Weißbier aus Erding und Bauernbrot zur Auffüllung der Kohlenhydrat-Speicher, das Ganze verkauft von einem Muster von Tiroler, Heinrich Heine hätte ihn nicht besser erfinden können.
VIII Vivace
Gut dass es bei der Rückfahrt zunächst 20km weitgehend bergab geht. Zurück in Vorderriß über den Isar-Rest auf die Mautstraße am Fluss entlang nach Wallgau.
Die Straße schaukelt munter auf und ab und kommt irgendwann an einen Ort, wo man es für eine gute Idee gehalten hat, schottische Heidelandschaft nachzubauen um darauf finanziell potenten Menschen die Möglichkeit zu geben, mit Eisenschlägern kleine Bälle in Löcher zu schubsen. Dann rechts abbiegen, B11, Radweg (der irgendwann aus ungeklärter Ursache plötzlich aufhört und dann plötzlich wieder da ist), in Einsiedel wieder der Walchensee, aber nur ganz kurz, denn die Straße führt jetzt ieder über einen Berg, dann durch Walchensee, an der Filmkulisse eines Wikingerdorfes entlang wieder nach Urfeld, drei Serpentinen hoch zur Passhöhe des Kesselberges und dann:
IX Prestissimo assai
fröhliches Schräglagenfahren mit sichtlich genervten Motorradfahrern, die wegen des permanenten Gegenverkehrs die Kombifahrer nicht überholen können und denen auch noch dieser übergewichtige Rennradfahrer am Auspuffrohr klebt.
X Largo
Am Kochelsee wirds wieder flach, dann im Ort nach dem Marc-Museum noch eine Steigung und das wars dann.
Bis nächstes Jahr
... link (0 Kommentare) ... comment
Montag, 20. September 2010
Wie war`s im Urlaub?
moralist, 23:22h
Danke, schön wie immer!
... link (0 Kommentare) ... comment
Dienstag, 19. Mai 2009
Mensch und Meer
moralist, 01:30h
Peter Haggett eröffnet sein Lehrbuch "Geography: A modern synthesis" mit dem Kapitel "Am Strand" und macht darin grundlegende Prinzipien der Geographie deutlich. Nun geht es in der Geographie immer um Räume, zunächst um Naturräume und das was der Mensch daraus macht und gerade deshalb ist auch der Strand ein so einleuchtendes Exempel. Denn hier zeigt sich das Verhältnis des modernen Menschen zur Natur besonders deutlich.
Der Strand ist für die meisten Menschen – ich nehme mich da ausdrücklich nicht aus – ein nahezu magischer Ort:
Der Übergang vom Land zum Meer, das Ineinandergreifen der Elemente Erde und Wasser, das Amphibische, das uns fasziniert und vielleicht an bedeutende Schritte in der Evolution erinnert und die Ahnung der Unendlichkeit beim Blick auf den nassen Horizont, dabei aber das sichere Gefühl des vermeintlich festen Bodens unter den Füßen.
Meist ist es Sandstrand, ein unermesslicher Sandkasten für Kinder, die Erinnerung daran für alle anderen. Denn Strände, wie wir sie kennen, sind nicht zuletzt deshalb so angenehm, weil sie täglich im Morgengrauen mithilfe von ausgeklügelten Maschinen von dem gereinigt werden, was die grausame Natur oder der säuische Mensch im Laufe der Nacht an die sandigen Gestade spülen lässt: Quallen, Seegurken, Seetang, Plastikflaschen, Kondome, Fischleichen, Ölklumpen…
Auch das Klima ist dem Menschen gnädig: „Maritim“ heißt für den frierenden Nordeuropäer winterliche Milde und ist für den Bewohner des mediterranen Raumes Schutz vor der Hitze des Landesinneren.
Fassen wir also zusammen: Am Strand ist es schön, nahezu unbeschreiblich schön, und jeder, der nicht etwas wunderlich ist, sondern seinen angebornen Instinkten folgt, wird es dort ebenfalls schön und angenehm finden!
In der alten Zeit lebten an der Küste diejenigen, die nicht nur am, sondern vom Meer lebten, dazu noch ein paar andere, die es sich leisten konnten und nicht arbeiten mussten, beziehungsweise als Diener für die arbeiteten, die nicht arbeiten mussten.
Das ist heute anders:
Die Fortschritte in der Erschließung des Landes und die technischen Errungenschaften des derzeitigen Flugverkehrs machen es möglich irgendwo in Europa sein Geld zu verdienen und dennoch die Vorzüge einer Zweitimmobile am mediterranen Strand zu genießen. Die Sommerresidenz ist damit nicht nur selbstverständlicher Lebensstil der Eliten, sondern ein realisierbarer Traum der Mittelschicht geworden! Auch für die aus anderen Teilen Europas, seit es die sogenannten Billigflieger gibt, die die Distanzen zwischen der Heimat der niederbayerischen Zahnärzte und westfälischen Abteilungsleiter und ihren Ferienimmobilien auf erträgliche zwei Stunden Flugzeit zusammenschmelzen lassen und das zu einem Preis, den in München schon ein Opernbesuch kostet!
Nun war man nicht überall am Mittelmeer so großzügig beim Ausweisen von Baugebieten und beim Erteilen von Baugenehmigungen. Die Küste bei Alicante, Playa de San Juan, ist jedoch nahezu flächendeckend bebaut. Je näher man an den Strand kommt, desto höher, dichter und teurer.
Jetzt, Anfang Mai, ist das Ganze ein pseudourbanes Konglomerat, ein Städte-Zombie, untot, eine Großstadt zwar nach der Physiognomie, jedoch leblos und steril.
Die großen Appartement-Häuser sind zu ungefähr einem Viertel bewohnt, es gibt kaum Autos auf den Straßen, die Restaurants sind halbleer oder geschlossen, und das bei 26° und Sonnenschein. An buchstäblich jedem Haus findet man „se vende“-Schilder.
Und trotzdem: Auch wenn man all das weiß, auch wenn man die Wirtschaftsdaten von Spanien kennt, die Abhängigkeit des Booms der letzten Jahre von der Bauwirtschaft, wenn man weiß, dass der Klimawandel Spanien bedroht wie kein anderes Land Europas, wenn man weiß, dass das Wasser aus der Leitung nicht genießbar ist und hier Meerwasserentsalzungsanlagen mittlerweile notwendig sind; auch wenn man ahnt, dass das alles eigentlich nicht funktionieren kann, all die Appartementhäuser, Langzeittouristen, Billigflieger, Immobilienspekulanten, die deutschen Karnevalsvereine und die Lidl-Anzeigen auf deutsch, die größenwahnsinnigen Gewerbegebiete und Yachthäfen…
Wenn man abends an diesem Strand sitzt, nach sieben Gängen exquisiter Speisen und maßvollem Genuss von exzellentem Wein, konsumiert in der Gesellschaft ausnahmslos sympathischer Menschen auf Einladung eins reizenden Brautpaares, dann entfaltet der Strand natürlich seine bekannte Wirkung.
Alles ist gut!
Wieviel kostet eigentlich eine Wohnung mit Meerblick in Playa des San Juan?
Der Strand ist für die meisten Menschen – ich nehme mich da ausdrücklich nicht aus – ein nahezu magischer Ort:
Der Übergang vom Land zum Meer, das Ineinandergreifen der Elemente Erde und Wasser, das Amphibische, das uns fasziniert und vielleicht an bedeutende Schritte in der Evolution erinnert und die Ahnung der Unendlichkeit beim Blick auf den nassen Horizont, dabei aber das sichere Gefühl des vermeintlich festen Bodens unter den Füßen.
Meist ist es Sandstrand, ein unermesslicher Sandkasten für Kinder, die Erinnerung daran für alle anderen. Denn Strände, wie wir sie kennen, sind nicht zuletzt deshalb so angenehm, weil sie täglich im Morgengrauen mithilfe von ausgeklügelten Maschinen von dem gereinigt werden, was die grausame Natur oder der säuische Mensch im Laufe der Nacht an die sandigen Gestade spülen lässt: Quallen, Seegurken, Seetang, Plastikflaschen, Kondome, Fischleichen, Ölklumpen…
Auch das Klima ist dem Menschen gnädig: „Maritim“ heißt für den frierenden Nordeuropäer winterliche Milde und ist für den Bewohner des mediterranen Raumes Schutz vor der Hitze des Landesinneren.
Fassen wir also zusammen: Am Strand ist es schön, nahezu unbeschreiblich schön, und jeder, der nicht etwas wunderlich ist, sondern seinen angebornen Instinkten folgt, wird es dort ebenfalls schön und angenehm finden!
In der alten Zeit lebten an der Küste diejenigen, die nicht nur am, sondern vom Meer lebten, dazu noch ein paar andere, die es sich leisten konnten und nicht arbeiten mussten, beziehungsweise als Diener für die arbeiteten, die nicht arbeiten mussten.
Das ist heute anders:
Die Fortschritte in der Erschließung des Landes und die technischen Errungenschaften des derzeitigen Flugverkehrs machen es möglich irgendwo in Europa sein Geld zu verdienen und dennoch die Vorzüge einer Zweitimmobile am mediterranen Strand zu genießen. Die Sommerresidenz ist damit nicht nur selbstverständlicher Lebensstil der Eliten, sondern ein realisierbarer Traum der Mittelschicht geworden! Auch für die aus anderen Teilen Europas, seit es die sogenannten Billigflieger gibt, die die Distanzen zwischen der Heimat der niederbayerischen Zahnärzte und westfälischen Abteilungsleiter und ihren Ferienimmobilien auf erträgliche zwei Stunden Flugzeit zusammenschmelzen lassen und das zu einem Preis, den in München schon ein Opernbesuch kostet!
Nun war man nicht überall am Mittelmeer so großzügig beim Ausweisen von Baugebieten und beim Erteilen von Baugenehmigungen. Die Küste bei Alicante, Playa de San Juan, ist jedoch nahezu flächendeckend bebaut. Je näher man an den Strand kommt, desto höher, dichter und teurer.
Jetzt, Anfang Mai, ist das Ganze ein pseudourbanes Konglomerat, ein Städte-Zombie, untot, eine Großstadt zwar nach der Physiognomie, jedoch leblos und steril.
Die großen Appartement-Häuser sind zu ungefähr einem Viertel bewohnt, es gibt kaum Autos auf den Straßen, die Restaurants sind halbleer oder geschlossen, und das bei 26° und Sonnenschein. An buchstäblich jedem Haus findet man „se vende“-Schilder.
Und trotzdem: Auch wenn man all das weiß, auch wenn man die Wirtschaftsdaten von Spanien kennt, die Abhängigkeit des Booms der letzten Jahre von der Bauwirtschaft, wenn man weiß, dass der Klimawandel Spanien bedroht wie kein anderes Land Europas, wenn man weiß, dass das Wasser aus der Leitung nicht genießbar ist und hier Meerwasserentsalzungsanlagen mittlerweile notwendig sind; auch wenn man ahnt, dass das alles eigentlich nicht funktionieren kann, all die Appartementhäuser, Langzeittouristen, Billigflieger, Immobilienspekulanten, die deutschen Karnevalsvereine und die Lidl-Anzeigen auf deutsch, die größenwahnsinnigen Gewerbegebiete und Yachthäfen…
Wenn man abends an diesem Strand sitzt, nach sieben Gängen exquisiter Speisen und maßvollem Genuss von exzellentem Wein, konsumiert in der Gesellschaft ausnahmslos sympathischer Menschen auf Einladung eins reizenden Brautpaares, dann entfaltet der Strand natürlich seine bekannte Wirkung.
Alles ist gut!
Wieviel kostet eigentlich eine Wohnung mit Meerblick in Playa des San Juan?
... link (0 Kommentare) ... comment
Dienstag, 5. Mai 2009
Fensterplatz II
moralist, 00:38h
Fensterplatz ist mir wichtig, beim Fliegen noch mehr als in der Eisenbahn. Daher hatte ich bereits online eingecheckt: Reihe 8, Sitz A, noch nahe genug an den Notausgängen aber ohne störenden Flügel. Den Blick frei nach unten. Wir würden über die Alpen fliegen, stabile Hochdruckwetterlage, später Vormittag, optimale Sicht! Das versprach Blicke auf verschneite Gipfel, grüne Täler, Alpenseen, Küsten, Inseln, traumhaft.
Die "Aussicht" darauf hatte mich sogar darüber hinweggetröstet, dass ich meine Kamera zu Hause liegengelassen hatte, aber das Ladegerät dabei hatte. Fotos durch Flugzeugscheiben werden sowieso selten schön. Als ich die Reihe 8 erreichte, war mein Platz besetzt.
Ein alter Holländer mit einem großen, flachen luftpolsterummantelten Paket saß nervös dort und bat mich umständlich und ausgesucht höflich um die Gunst, sich auf meinen Platz setzen zu dürfen, da sein sperriges Gepäckstück vom gestrengen Kabinenpersonal nur auf diesem Sitz geduldet werde.
Natürlich entsprach ich der Bitte, wie immer, wenn ich höflich gebeten werde. Aber das Vergnügen am Flug war mir durch diesen Versace und Rolex tragenden Greis mit seinen Diamantringen ruiniert.
Als er dann auch noch anfing zu schnarchen, 5000 m über dem Alpenhauptkamm, unter uns sonnenbeglänzte Gletscher, die bei gelegentlichem Rollen des Airbus in meinen Blick kamen, steigerte ich mich in unaussprechliche Hassfantasien, vornehmlich gegen mich selbst und meine verdammte Gutmütigkeit.
Auf dem Monitoren über den Köpfen der Passagiere liefen kanadische Versteckte-Kamera-Filme mit umfallenden Verkehrsschildern, eine Folge "Mr. Bean" von 1991, "Friends" und Musikvideos. Zu lesen hatte ich mir nichts mitgenommen, ich wollte ja aus dem Fenster schauen, das Bordmagazin, das im Netz der vor mir ordnungsgemäß senkrecht stehenden Rückenlehne bei den Kotztüten steckte, war unerträglich und beim Betreten des Flugzeugs hatte es nur noch die "Welt" gegeben.
Als der Alte, der jetzt mit geschlossenen Augen auf meinem Fensterplatz saß, nicht mehr schnarchte sondern röchelte, wich der Ärger jedoch der Angst, meinen Nachbarn könnten die Strapazen seines Jet-Set-Lebensabends überfordert haben.
Erfreulicherweise erwachte er über Genua, als die Gertränke serviert wurden und wollte mich für meine Gefälligkeit auf ein Getränk einladen, was daran scheiterte, dass die Getränke kostenlos waren. Im weiteren Gespräch, 9000m über den Balearen, erfuhr ich dann, dass er tatsächlich niederländischer Staatsbürger ist, ein Haus an der Costa besitzt, Vielflieger ist, und dass in dem Paket, das er während des ganzen Fluges fest umklammert hielt, ein 80 Jahre altes Ölportrait seiner Mutter war.
Ich nahm es ihm fast übel, dass er freundlich, höflich, interessant und damit ein angenehmer Mitreisender war. Ich hätte wirklich sehr gerne aus dem Fenster gesehen.
Die "Aussicht" darauf hatte mich sogar darüber hinweggetröstet, dass ich meine Kamera zu Hause liegengelassen hatte, aber das Ladegerät dabei hatte. Fotos durch Flugzeugscheiben werden sowieso selten schön. Als ich die Reihe 8 erreichte, war mein Platz besetzt.
Ein alter Holländer mit einem großen, flachen luftpolsterummantelten Paket saß nervös dort und bat mich umständlich und ausgesucht höflich um die Gunst, sich auf meinen Platz setzen zu dürfen, da sein sperriges Gepäckstück vom gestrengen Kabinenpersonal nur auf diesem Sitz geduldet werde.
Natürlich entsprach ich der Bitte, wie immer, wenn ich höflich gebeten werde. Aber das Vergnügen am Flug war mir durch diesen Versace und Rolex tragenden Greis mit seinen Diamantringen ruiniert.
Als er dann auch noch anfing zu schnarchen, 5000 m über dem Alpenhauptkamm, unter uns sonnenbeglänzte Gletscher, die bei gelegentlichem Rollen des Airbus in meinen Blick kamen, steigerte ich mich in unaussprechliche Hassfantasien, vornehmlich gegen mich selbst und meine verdammte Gutmütigkeit.
Auf dem Monitoren über den Köpfen der Passagiere liefen kanadische Versteckte-Kamera-Filme mit umfallenden Verkehrsschildern, eine Folge "Mr. Bean" von 1991, "Friends" und Musikvideos. Zu lesen hatte ich mir nichts mitgenommen, ich wollte ja aus dem Fenster schauen, das Bordmagazin, das im Netz der vor mir ordnungsgemäß senkrecht stehenden Rückenlehne bei den Kotztüten steckte, war unerträglich und beim Betreten des Flugzeugs hatte es nur noch die "Welt" gegeben.
Als der Alte, der jetzt mit geschlossenen Augen auf meinem Fensterplatz saß, nicht mehr schnarchte sondern röchelte, wich der Ärger jedoch der Angst, meinen Nachbarn könnten die Strapazen seines Jet-Set-Lebensabends überfordert haben.
Erfreulicherweise erwachte er über Genua, als die Gertränke serviert wurden und wollte mich für meine Gefälligkeit auf ein Getränk einladen, was daran scheiterte, dass die Getränke kostenlos waren. Im weiteren Gespräch, 9000m über den Balearen, erfuhr ich dann, dass er tatsächlich niederländischer Staatsbürger ist, ein Haus an der Costa besitzt, Vielflieger ist, und dass in dem Paket, das er während des ganzen Fluges fest umklammert hielt, ein 80 Jahre altes Ölportrait seiner Mutter war.
Ich nahm es ihm fast übel, dass er freundlich, höflich, interessant und damit ein angenehmer Mitreisender war. Ich hätte wirklich sehr gerne aus dem Fenster gesehen.
... link (0 Kommentare) ... comment