Freitag, 25. Mai 2012
Vorsätze
Eigentlich ist das hier ja als eine Art Tagebuch gedacht, aber nur wenige Tage geben es wirklich her, hier kommentiert zu werden. Und man sieht schon, das wird wieder so eine fade Entschuldigung dafür, dass hier nichts Neues zu lesen steht.

Aber nun habe ich (immerhin) zumindest gute Vorsätze und man wird sehen, was daraus wird.

Ein Thema, das hier schon mehrfach intoniert wurde, ist das nutzlose Lamento über diese Stadt, in die ich vor mittlerweile 10 Jahren zurückgekehrt bin.



Selber schuld, möchte man sagen und außerdem ist das ein durchaus konventionelles und damit auch langweiliges Sujet.



Ich habe in letzter Zeit mit mehreren Menschen über die Nöte gesprochen, die ich mit dieser Stadt habe und ihr einhelliger Rat war: Vegiss es, lass es bleiben, geh weg!



Man kennt das ja: "love it, change it, or leave it!"

Auch wenn die Versuchung in den letzten Wochen groß war die dritte Option zu wählen und ich sogar ernsthaft nach Immobilien suchte in Gegenden, in denen ein vermeintlich menschenwürdigeres Leben möglich wäre:

Nein, ich werde bleiben, denn ich bin stur: Ich war früher da als die ganzen Figuren, die sich hier nach Kräften bemühen, mir das Vergnügen an meiner Heimat zu verleiden!



Ich werde lediglich das Jammern beenden und versuchen innere Distanz zu gewinnen.

Das ist schon viel und es ist verdammt schwer!

Aber es geht.

Es muss gehen!

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Dienstag, 26. Oktober 2010
Vollmondnacht
Die Gelegenheit kam überraschend und ich konnte gerade noch mein Taschenstativ einpacken und den Akku der Kamera nachladen. Eine nächtliche Turmbesteigung und die Aussicht auf meine Stadt aus 45 Metern Höhe wollte ich mir nicht entgehen lassen. Ich konnte eine Gruppe begleiten, die eine Tagung hier in einem Hotel der Stadt abhielt. Eine klare Nacht, noch dazu einigermaßen mild. Davor noch eine kurze Stadtführung, eine echte Stadtführung, kein FrankensteinIlluminatenTürmerey-Schwachsinn. Die Gäste bekamen einen sehr authentischen Eindruck von den Qualitäten des hiesigen Nachtlebens, inklusive eines schwankenden Wildbieslers in der Goldknopfgasse, der sich durch unsere interessierten Blicke nicht in seinem Tun beirren ließ, und des lustigen Parksuchverkehrs in der Theresienstraße. Unter dem Erbärmdechristus in der Moritzstraße schlüpften wir dann durch ein kleines Tor, das wegen der andernfalls sofort eindringenden und ihren Müll zurücklassenden Kunden des junkfood-Systemgastronomen gegenüber sofort wieder verschlossen werden musste, in den Vorhof des Pfeifturms. Aufstieg! 201 Stufen und dann der Blick über die nächtliche Stadt:

Theater und Neues Schloss, Blick nach SO


Das Münster vor dem neongrünen Lichtstreifen des West-"Park"-Einkaufsparadieses.


Die Giebel der Theresienstraße


Ludwigstraße: rechts die Fassade des Ickstatthauses, das die hiesigen Benchmark-Barbaren natürlich plattgemacht haben, Hauptsache die dekorative Fassade und ein Top-Platz im Ranking ("Höchste Rokkoko-Fassade Süddeutschlands") bleiben!

Unser unglaubliches Rathaus, im Volksmund auch bekannt als "JVA" - wegen irgendeines Kulturevents in albernes blaues LED-Licht getaucht.

Bei Tageslicht sieht kann man von da oben das sehen.
Sehenswert!

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Freitag, 16. April 2010
Die (Alt)Last der Geschichte
In anderen Städten würden sie sich die Finger abschlecken bis hinauf zu den Ellenbogen, wie man hier so schön sagt, hätte man eine solche Fläche mitten in der Stadt zur Verfügung, auf der man etwas Gutes für die Stadt schaffen könnte.


großes Panoramabild

Gelegen am Rand einer einzigartigen Grünanlage, direkt an der Donau, in unmittelbarer Nähe zum spätgotischen Herzogssschloss in direkter Nachbarschaft zur Altstadt liegt ein Grundstück mit mehr als 40.000 qm, das die Geschichte und die wechselnden Geschicke in dieser Stadt so sichtbar macht, wie kaum ein anderer Ort in dieser unbegreiflichen Stadt. Hier war ein eminent wichtiger Teil der bayerischen Landesfestung des 19. Jahrhunderts, deren Reste heute noch im Untergrund und in Gestalt des Kavalier Dalwigk zu finden sind, und hier war mit der "Königlichen Geschützgießerei" die Keimzelle der industriellen Entwicklung dieser Stadt und hier wurde noch 1994, mitten in der Innenstadt, Eisen geschmolzen und gegossen. Dann wurde die Gießerei dichtgemacht, die Gebäude abgerissen, bis auf ein paar Reste, die der Denkmalschutz bewahrt hatte. Und hier herrscht nun seit vierzehn Jahren das, was sonst hier in der Boomtown verpönt ist, was es im Selbstverständnis der hier Regierenden und Wichtigen nicht geben darf: Stillstand, Stagnation!

Und warum:
Die Erwartungen - zu vielfältig!
Das Grundstück - zu groß!
Die Ideen -zu viele!
Die Renditeerwartungen - zu hoch!

Und deshalb kommt hier seit Jahren nichts heraus und angesichts der bisher vorgeschlagenen Nutzungen ist es vielleicht auch gar nicht schlecht, so wie es sich ergeben hat.

Und so gammelt dieses herrliche Gebäude - 2.000 qm Baujahr 1915, Denkmalschutz, Lage am Altstadtrand neben gotischem Herzogsschloss - vielleicht noch zehn weitere Jahre vor sich hin, weil man nicht weiß, was man damit machen will oder kann!
Sollten Sie eine Idee haben, melden Sie sich einfach bei der städtischen Industriefördergesellschaft, die freuen sich bestimmt!

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Sonntag, 7. März 2010
Zwischen Dubai und Detroit liegt lag der Nordbahnhof
Nein, ich war nicht dabei. Zu kalt. Ich saß in einem alten Sessel, trank ein Pils und beteiligte mich an einer Diskussion im tiefverschneiten "Kleinen Haus" unseres Theaters zum Thema Ingolstadt – Dubai - Detroit. Heute noch eine Boomtown, morgen eine Investitionsruine übermorgen eine Geisterstadt?.

Das war allemal interessanter (zumal auch ein tapfer marxistisch agitierender Alevit anwesend war) als sich den Hintern abzufrieren und das demokratisch sauber legitimierte Zerstörungswerk der gelben Bagger mit hilflosen Buhrufen zu kommentieren. Man weiß doch eh, wie so etwas aussieht und unsere Lokalzeitung berichtet nun, da alles zu spät ist, umfänglich mit Text, Film und vielen gruslig schönen Bildern der Zerstörung!
Am nächsten Morgen, einem klaren schönen Wintersonntag, sah es dort, wo 141 Jahre lang der Stadtbahnhof der größenwahnsinnigen Provinzstadt gestanden war, so aus:



Jetzt kann es kommen, das Parkhaus!


Knapp drei Kilometer entfernt wird gerade auch der Bauernhof des CSU-Stadtrats inmitten der besten Äcker dieser Stadt plattgemacht, damit die Stadt dem Premiumproduzenten mit ein paar praktischen Lagerhallen mit Gleisanschluss dabei behilflich sein darf, die Illusion vom erfolgreichen Unternehmen noch ein paar Jahre länger aufrecht zu erhalten.



Das alles passt zu einer Stadt, für deren Machthaber Denkmäler so...

und Paläste so...


aussehen.

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Sonntag, 31. Januar 2010
Entsorgung der verdrängten Geschichte
In der Nacht vom 6. auf den 7. März wird es soweit sein. Dann wird der Bahnverkehr auf der Strecke Ingolstadt - Treuchtlingen kurz unterbrochen, der Strom der Oberleitungen wird ausgeschaltet werden und ein paar Bagger werden anrücken um ein Gebäude dem Erdboden gleich zu machen, das jetzt 140 Jahre dort steht. Es wird ein paar stumme oder halblaute Proteste geben, vorgetragen von den üblichen Querulanten, der Kulturclique der Stadt, allesamt irrelevante Randgruppen wie Künstler, Heimatpfleger, Historiker, Sozialarbeiter.
Die alten Eingeborenen werden "Ja mei!" seufzen, vielleicht auch erleichtert "Jetz is's weg, des oide Glump" ausrufen. Die meisten Bewohner der Stadt werden jedoch übrhaupt keine Notiz davon nehmen.

Was am 6. März abgebrochen wird, ist aber nicht nur ein altes Gebäude in schlechtem Zustand, es ist ein Stück ungeschminkter Geschichte dieser Stadt, deren Selbstbild so krampfhaft zukunftsorientiert und optimistisch ist, dass sie ein solches Bauwerk nicht in ihren Mauern dulden kann.

Als das Gebäude 1869 als "Localbahnhof" errichtet wurde, bedeutete das nichts weniger als den Anschluss der von den Festungsanlagen eingemauerten Stadt an die Welt, an das gerade entstehende Bahnnetz.

Die erste Verbindung über die Festungsgräben hinweg war die Straße zum Nordbahnhof. Diese Nähe zur Festung war es auch, die die Bauweise des Bahnhofsgebäudes bedingte:
Die Militärs hatten verfügt, den Bahnhof in Fachwerktechnik auszuführen. In den 50er Jahren wurde das Bahnhofsgebäude dann mit Heraklith verkleidet und mit einem scheußlichen Anstrich versehen

Der Fundamentsockel aus massiven Jurasteinen ist nur 60 cm hoch und mit vorgebohrten Sprenglöchern versehen, damit das ganze Gebäude im Verteidigungsfall mit dem damals brandneuen Dynamit schnell weggesprengt werden konnte um freies Schussfeld zu haben.

Der einige Jahre später in massiver Bauweise errichtete "Central-Bahnhof" liegt aus dem gleichen Grund drei Kilometer südlich des Stadtzentrums, wobei das schon eine Konzession der allmächtigen Militärs an die Stadt war, die sich die Bürger nach einer Petition an Ludwig II. erstritten hatten. Ursprünglich hätte der Hauptbahnhof am Schnittpunkt der Donautalbahn mit der Strecke München - Nürnberg bei Oberstimm entstehen sollen - noch drei Kilometer weiter draußen, vor der Stadt.

Das Empfangsgebäude des Nordbahnhofs ist heute tatsächlich in einem erbärmlichen Zustand, wie so viele andere Bahnhöfe, die von einer Bahn nicht mehr gebraucht werden, die keine "Bahn" mehr sein will, sondern ein global agierender Logistik-Konzern.

Fahrkarten gibt es im Internet oder vom Automaten, statt öffentlicher Bedürfnisanstalten gibt es automatisierte High-Tech-Toiletten, statt eines Bahnhofsrestaurants Schokoriegel aus dem Automaten. Gewartet wird auf zugigen Beton-Bahnsteigen, aber vorgesehen ist das überhaupt nicht mehr, weil die "Kunden", die früher mal Fahrgäste waren, ja just-in-time angeliefert werden sollen.
Das Gebäude mit seiner Schalterhalle, der Gepäckaufgabe, dem Warteraum mit altem gewachsten Parkett und Kachelofen wird also nicht mehr benötigt und so passierte, was mit allen Gebäuden passiert, die nicht mehr genutzt werden.


In dieser Stadt gibt es eine lange, ungebrochene Tradition des Niederreißens: Im 19. Jahrhundert mußte die Heilig-Kreuz-Kirche einer Kaserne weichen, nach 1945 wurde das im Krieg schwer beschädigte Bezirksamt von 1559 wiederhergestellt um dann 1963 plattgemacht zu werden für das grandios abscheuliche Textilkaufhaus "Wagner", heute City-Arcaden, im selben Jahr, in dem auch das schönste der Festungs-Kavaliere , das Kavalier Spreti wegen "Verkehrsbehinderung" abgetragen wurde.

Die Begründungen sind stets die gleichen:
Es muss sein, es gibt keine Alternative!
Zu teuer!
Arbeitsplätze!

Diese brachiale Argumentation drängt alle Andersdenkenden in die Rolle der Fortschrittsfeinde und Arbeitsplatzvernichter. Wer es wagt Einspruch gegen das neue hässliche Gesicht der Produkte der gewinnmaximierenden Grundstücksnutzung zu erheben, gilt als reaktionärer Märklin-Welt-Idylliker.

Dass nun auch Ingolstadts ältester Bahnhof weggeschoben wird, ist nur konsequent. Die Wahrnehmung der Geschichte beschränkt sich hier auf die prachtvollen, repräsentativen Aspekte: gotische Kirchen und Schlösser, barocke Fassaden und rankingfähige Rokkoko-Superlative ("größtes Deckengemälde"), die klassizistische Landesfestung eines Leo von Klenze, das macht natürlich etwas her, das passt zu einer Stadt, in der der Weltmarktführer im Premiumsegment zuhause ist!

Aber doch keine alte gammlige Baracke wie dieser Bahnhof, der mittlerweile ein Fremdkörper ist in dem Viertel, dem er einst den Namen gab.

Der Bahnhof stammt aus einer Zeit, in der man hier am Sonntag die Züge ins Altmühltal, nach München und weiter nach Garmisch, Tegernsee oder Starnberg bestieg und unter der Woche die Kinder aus dem dörflichen Hinterland mit dem Zug am Nordbahnhof angeliefert wurden und zu Fuß zum einen Kilometer entfernten Gymnasium liefen. Hier kamen 1945 die Flüchtlinge an und der "Localbahnhof" war auch der Bahnhof, über den die Arbeiter der Geschützgießerei, der Despag und der Auto-Union täglich von ihren Heimatdörfern in die Stadt pendelten.
Das sind kleine und wenig glamouröse Teile unserer Geschichte, an die sich die Repräsentanten unserer Stadt nicht erinnern wollen. Sie blicken nach vorne, phantasieren vom "erfolgreichsten Standort Deutschlands", verweisen auf Rankings bei Focus Money. Sie denunzieren, was nicht dem Image der dynamischen High-Tech-Region entspricht, als wertlos und sind überzeugt, das Richtige zu tun. Sie sind erfolgreich, deshalb haben sie recht. So einfach ist das!
Deshalb ist es auch richtig, an die Stelle eines 140 Jahre alten Bahnhofsgebäude ein Parkhaus zu stellen, damit die Reisenden, wenn sie in der Premiumregion eintreffen, gleich wissen, woran sie sind.

Dynamik, Automobile, Modernität!
Willkommen in der Boomtown!

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Montag, 29. Juni 2009
Resignation
Dazu fällt mir nun wirklich nichts ein! Bedaure!

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Sonntag, 31. Mai 2009
Steuergelder für die Steuersparmaschine
Förderung der Wirtschaft ist die beste Sozialpolitik, die es gibt.
Alfred Lehmann, DK 26.8.2006

Natürlich hat der Stadtrat den 20 Mio.-Kredit für die neue Arena durchgewunken. Blieb ihm ja nichts anderes übrig. Wo doch der erste feierliche Spatenstich schon eine Woche her ist! Wer sollte auch was dagegen haben? Der Oberbürgermeister und FC-Aufsichtsrat verspricht ein weiteres „Highlight“ nach der Saturn-Arena, (die in der gleichen Sitzung, en passant, einen Videowürfel für schlappe 500.000 € spendiert bekommt) und dem Factory Outlet Center Ingolstadt Village. Das wollen die Meisten (in diesem Fall 35 der 50 Stadträte) natürlich auch und folgen dem Macher-OB auf seinem Weg und unterstützen ihn gegen kleinliche, mutlose Bedenkenträger, die das „Leuchtturmprojekt“ noch auf der Zielgeraden zu Fall bringen wollen. Solche Typen, wie diesen Rettungssanitäter von den Sozis, den nicht mal der Vereinskollege und SPD-Fraktionschef ( “Fußballer durch und durch“) einnorden konnte. Gut, dass es noch die „vierte Macht“ gibt, der Artikel über diesen üblen Rennegaten in der „unabhängigen Tageszeitung“ ist genau rechtzeitig erschienen, wie in der guten alten Breschnew-Prawda! Aber die Sozis sind ja sowieso bloß ein lästiges Gschwerl, mit ihren 8 Stadtratssitzen. Da hat die CSU-Fraktion mit ihren 23 Sitzen ganz anderes Gewicht und die ist vor allem immer so zuverläsig, sie hat ja auch den Herrn Professor als Vorsitzenden, der ihr die Welt erklärt, und wenn der Herr Professor jetzt sagt, dass wir das Stadion brauchen, dann stimmt das auch, ned wahr?, denn der muss es schließlich wissen, er ist ja der Vizepräsident vom FC. Die FW sind zuverlässig gespalten wie meist, aber die haben ja auch einen Aufsichtsrat des FC in ihren Reihen! Zwei der drei grünen Stadträtinnen sind dafür, denn es gibt als Zuckerl das Stadion im green goal -Standard. Der armselige Rest (ÖDP, Linke, FDP, REP) interessiert eh niemanden.

Jetzt bekommt Ingolstadt also das Stadion.

Nun ist eine solche Arena nur vordergründig ein Ort, den man aufsucht um dort Profi-Fußballspiele zu sehen. Dies mag für die meisten Besucher der Anlass sein und für die vielen entbehrlichen Trottel auch der Zweck des Besuchs.
Aber um die geht es nicht.

Worum geht es dann?

Na?

Ums Geld!

Worum denn sonst?

Niemand hat das so deutlich gemacht wie Uli Hoeneß bei seinem berühmten. Ausraster.
Den Leuten „in der Loge“ das Geld aus der Tasche ziehen, das ist der Zweck eines solchen Stadions. Jetzt sollten wir natürlich meinen, dass die Geldsäcke nicht so blöd sind, sich vom Uli oder seinen hiesigen Kollegen das Geld aus der Tasche ziehen zu lassen. Aber da gibt es einen ganz einfachen Trick:
Das Steuerrecht!
Wenn so ein typischer Leistungsträger unserer Gesellschaft, ein Selfmademan und Mittelständler seine taxophoben Neigungen so richtig ausleben will, dann motiviert er nicht nur seine Mitarbeiter mit einem Dienstwagen als Gehaltsbestandteil – kostet keine Sozialabgaben, ist als Betriebsausgabe von der Steuer absetzbar – sondern er beglückt seine „Geschäftspartner“ mit einer ebenso steuerlich absetzbaren lustigen sams- oder sonntäglichen Sause in der VIP-Lounge!. Jetzt rundet sich das Ganze zu einem fiskalischen Meisterwerk: Die Stadt vergibt aus Steuergeldern einen Kredit, der vom Stadionbetreiber auch mit Einnahmen von VIP-Logen-Mietern getilgt wird, die damit ihre Steuerlast reduzieren, genauso wie die anderen Sponsoren mit ihren Werbezahlungen!

Und so ist das Stadion ein perfektes Abbild unserer Gesellschaft: Die sehr wichtigen Leute genießen die einzigartige Atmosphäre in ihrer Lounge, die Gläser klirren, der Lachs mundet, während der ordinäre FC-Fan sich lieber noch schnell ein Herrnbräu aus den green-goal-konformen Mehrwegplastikbechern in den Hals gießt und der Rest sitzt am Wochendende daheim fluchend am Tisch, die Steuerunterlagen ausgebreitet und findet ums Verrecken nicht die blöde Überweisungsquittung für die Handwerkerrechnung über 79,90 €, aber ohne die gibt’s nix!

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Freitag, 22. Mai 2009
Der erste Spatenstich
Es war der erste Spatenstich, es war der erste Spatenstich, es lag die Erde in Krumen, zerfallen vor meinem Fuß. Es läutete eine Glocke, es zitterte eine Tür. Es war eine politische Versammlung. (…)Trotzdem ich (…) nahe bei den Rednern saß – sie sprachen von einem kahlen viereckigen Sockel aus Quadersteinen herab – verstand ich nur wenig. Freilich wußte ich im voraus um was es sich handelte und alle wußten es. Auch waren alle einig, eine vollständigere Einigkeit habe ich nie gesehn, auch ich war völlig ihrer Meinung, die Sache war allzu klar, wie oft schon durchgesprochen und immer noch klar wie am ersten Tag, beides, die Einigkeit und die Klarheit waren herzbeklemmend, die Denkkraft stockte vor Einigkeit und Klarheit, man hätte manchmal nur den Fleiß hören wollen und sonst nichts.
Franz Kafka


Ich kann nichts für meine Assoziationen. Die ganze Szenerie erinnerte mich eher an ein Begräbnis als an einen Baubeginn.

Erde zu Erde, Staub zu Staub. Bizarre Grabmale: Spaten mit Helmen oben drauf. Schauplatz ist eine Kiesfläche, wo bis vor kurzem noch gigantische Öltanks gewesen sind, die üblichen Premium-Mobile, im Hintergrund der Schlachthof.

Lauernde gelbe Bagger, eine blaue Walze, blaue Container und das obligatorische Stiftl-Partyzelt.

Dann die Reden:

Der Herr Doktor Oberbürgermeister, der „liebe Alfred“: strotzend vor Optimismus und mit routiniertem Lächeln, begeistert darüber, dass Ingolstadt mit dem FC jetzt so bekannt im ganzen Land geworden ist. Über die üblichen Bedenkenträger, die überhaupt nicht begreifen, was für ein tolles Geschenk ihnen da gemacht wird, spricht er mit einer Mischung aus Mitleid und Verachtung, natürlich der Verweis auf die Saturn-Arena, wo auch zuerst alles mies gemacht wurde und jetzt so toll ist.

Der „liebe Peter“, der Vorsitzende des Aufsichtsrates spricht von einem (seinem!) Traum, der nun in Erfüllung geht und davon, dass in dem Stadion nicht nur Fußball gespielt werden soll, sondern auch „andere Veranstaltungen“ stattfinden werden. Dann der Dank an den Sponsor, den Sponsor, den Sponsor! Und die Hoffnung, dass das Projekt ohne Probleme abläuft, nicht wie bei seinen eigenen Häusern (Grins!) und das Stadion wird schön und auch die schöne Zufahrt.

Der Präsident, der „liebe Werner“ lobt natürlich den nahezu übermenschlichen Einsatz des Aufsichtsratsvorsitzenden und sein Kollege, der „liebe Walter“, der Zebrapräsident und Baulöwe freut sich, dass er das Stadion bauen darf und verspricht dass es ganz ganz toll wird und sagt, was für eine schöne Stadt Ingolstadt doch ist und verspricht nochmal, dass es ganz schön wird.

Nun müssen alle Wichtigen sich einen der 10 Spaten nehmen und einen weißen Helm mit draufgepapptem Vereinswappen aufsetzen, damit sie auch richtig lächerlich aussehen, und wirbeln ein bisschen Erde in der Luft herum. Das ist der Augenblick: Ein Fotograf choreographiert die Spatenstecher. Fotos, Grinsen, Optimismus, Entschlossenheit.

Da kommt ein Windstoß und wirft die beiden Stellwände mit den Logos der wichtigsten Sponsoren um und Tuja, Audi, Donat, Nike, Herrnbräu, und Sinalco liegen im Dreck, werden aber ganz schnell wieder aufgestellt, nicht dass jemand auf die Idee kommt, das wäre jetzt ein böses Omen gewesen!

Dann gibt es Schaumwein, der offizielle Teil ist beendet, ein paar sogenannte Journalisten fotografieren die Feiernden, halten einigen der Wichtigen Mikrofone vors Gesicht oder filmen gelangweilt herumstehende Menschen in Fan-Uniform.

Der Herr Vizepräsident, im Nebenerwerb auch noch Fraktionsvorsitzender der Christsozialen im Stadtrat und angeblich Professor für Volkswirtschaftslehre, ist auch anwesend, darf aber nicht mitstechen und hält sich besser im Hintergrund zusammen mit seinen Kollegen: dem Ex-Audi-Sozi von den Freien Wählern und dem BruderBarnabasNikolaus-Sozi. Die können noch nicht feiern, die haben noch etwas zu erledigen, die müssen noch eine Mehrheit im Stadtrat organisieren, damit die Stadt dem Verein 20 Mio. leihen darf, damit der Peter, der Werner und der Alfred ihre Untertanen auch weiterhin mit schlechtem Profifußball zwangsbeglücken können.

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Freitag, 8. Mai 2009
Vorurteile
Ich stehe zu meinen Vorurteilen! Und zwar so lange, bis ich eines Besseren belehrt werde.
Eines, das ich seit mehreren Jahren aufrechterhalten konnte, besagt, dass Q7-Fahrer asoziale Kotzbrocken sind!
Heute erfolgte die empirische Bestätigung da mir die Zufahrt zum Stellplatz auf meinem Grundstück durch drei (!) vor der Einfahrt parkende Audi SUVs, zwei Q7 und ein Q5, versperrt war. Drei penibel geputzte Geländewägen auf dem Asphalt unserer Flachlandgemeinde. Die Besitzer waren natürlich drei Leistungsträger unserer Gesellschaft. Genauer gesagt waren es Immobilienunternehmer, die ein gegenüberliegendes Grundstück mit Plänen in den Händen begutachteten. Nummernschilder aus dem nördlichen gelegenen Landkreis.
Ich versuchte so unfreundlich wie möglich sie dazu aufzufordern, ihre sinnlosen Fahrzeuge umzuparken, was sie nach kurzer Diskussion auch taten: Jetzt standen ihre Idiotenpanzer auf der Bushaltestelle und ich konnte meinen tschechischen Kombi auf meinem eigenen Grund und Boden parken.

Ich rege mich noch auf, das ist der Fehler!

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Sonntag, 8. März 2009
TSV 1860 München, FC Ingolstadt 04 und Kleist
Irgendwann Anfang der 80er Jahre habe ich damit aufgehört, Fußballspiele zu besuchen. Damit endete eine Phase, die es auch nur deshalb gab, weil das Haus meiner Großeltern in unmittelbarer Nähe des ESV-Stadions lag und meine mütterlicherseitige Verwandtschaft sehr enge Beziehungen zu diesem Verein hatte. Außerdem wurde der ESV Ingolstadt 1979 deutscher Fußball Amateur-Meister!
Mein Platz, natürlich ein Stehplatz, war von der Haupttribüne aus gesehen links gegenüber, in der Nähe der Turnhallen, dort wo heute im Tuja-Stadion der Block D ist. Geteerte Stufen, die Außenseite mit Gras bewachsen und mit Bäumen bestanden. Hier war auch oft mein zeitweiliger Musiklehrer aus dem Gymnasium zu finden, etwas abseits, mit stets nahezu aristokratischer Haltung und der unvermeidlichen Baskenmütze.
Zwischen Zuschauern und Spielfeld war eine Bande, zunächst noch ohne Käfig, dahinter eine Aschenbahn. Als Anzeige"tafel" diente ein schwarz gestrichenes Häuschen, in dem große Tafeln mit handgemalten Ziffern in die Fensteröffnungen gestellt wurden, über denen "ESV" und "Gast" stand. Irgendwann sagte der Stadionsprecher den Satz "Eine Information für die Presse. Zur heutigen Partie kamen 580 Zuschauer". Stadionverpflegung hieß noch nicht Catering und bestand aus einem Kiosk, dessen Angebot im Wesentlichen Limo, Bier, Wiener und Brezn umfasste.
Die Spieler kamen aus Ingolstadt und der ländlichen Umgebung und hießen Zieglmeier, Benz, Binner, gelegentlich tauchten ein paar Exoten auf, Jugoslawen ("Gastarbeiter").
Ganz anders als normale Ligaspiele, bei denen man nur an der zugeparkten Straße bemerkte, dass sie stattfanden, waren die wenigen Begegnungen mit den "Sechzigern". Wenn 1860 erschien, herrschte Ausnahmezustand. Meine Großeltern schlossen dann die grünen Läden der Erdgeschoß-Fenster und verboten mir, das Spiel zu besuchen!
Deshalb verspürte ich heute plötzlich den Drang dabeizusein, als die Sechziger mal wieder in Ingolstadt spielten. Zwischen dem Stadion aus meinen Erinnerungen und heute liegen an die 30 Jahre, 30000 Menschen mehr in der Stadt, ein beispielloser wirtschaftlicher Aufschwung und um sich greifender Größenwahn.
Das ESV-Stadion heißt TUJA-Stadion, weil der Aufsichtsratsvorsitzende und Großsponsor die Idee gut fand, seine Zeitarbeitsfirma so zu nennen. Das Stadion ist bis zur Unkenntlichkeit verunstaltet und hat seine Existenzberechtigung nur als Provisorium, bis die Audi-Arena im Gewerbegebiet fertig ist. Entsprechend sieht es dort auch aus: Wo noch vor wenigen Jahren Wiesen, Bäume und Tennisplätze waren, hat ein radikaler Kahlschlag stattgefunden und man findet stattdessen Container und gekieste Flächen, auf denen angeblich wichtige Personen ihre Fahrzeuge parken, wenn alle zwei Wochen hier ein Spiel stattfindet.


Es gibt Kameras


um das Spiel zu filmen und Kameras um die zu filmen, die sich das Spiel ansehen.

Es gibt eine neue Flutlichtanlage.


Es gibt Einlasskontrollen und Alkoholverbot im Stadion. Das alles ist neu und sehr irritierend und ungewohnt.

Umso schöner, dass sich manche Dinge nie ändern, wie die Fans des TSV 1860 München,denen die folgenden Bilder zu verdanken sind.

















Vor dem Eingang zum Stadion stand ein Bus,

noch beklebt mit der Werbung für eine Buchhandlung,die schon vor Jahren an den örtlichen Meinungsmonopolisten verkauft wurde. Darauf steht der schöne Satz:


Kleist kannte noch keine Fußballstadien!

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